Hermann Gmeiner

Prof.Dr.Dr.h.c. Hermann Gmeiner - Gründer der SOS-Kinderdörfer

gmeiner_portrait sw - © SOS-Archiv
© SOS-Archiv

Gemeinden sind berechtigt, Persönlichkeiten besonders zu ehren, die sich durch überdurchschnittlichen Einsatz um die Entwicklung innerhalb der Gemeinde besonders verdient gemacht oder zum guten Ruf ihrer Heimatgemeinde wo immer auf der Welt beigetragen haben. Für Alberschwende trifft dies vorallem auf Prof.Dr.Dr.h.c. Hermann Gmeiner, den Gründer der SOS-Kinderdörfer zu. Ihm wurde von der Gemeinde Alberschwende die Ehrenbürgerschaft verliehen.

 

Aus seinem Leben

Hermann Gmeiner wurde am 23. Juni 1919 als fünftes von neun Kindern der Eheleute Hermann und Angelika Gmeiner im Weiler Tannen geboren. Seine Mutter starb, als er fünf Jahre alt war. Er erlebte somit am eigenen Leibe die Katastrophe, mit der die Welt eines Kindes, das seine Mutter verliert, zusammenbricht.

Seiner ältesten Schwester Elsa fiel die Aufgabe zu, die Rolle der Muter zu übernehmen. Sie war damals sechzehn Jahre alt und beinahe zu jung für die große Verantwortung. Sie bewältigte diese Aufgabe und lebte somit den Beruf der "Kinderdorfmutter" vor, die dann zum Mittelpunkt der SOS-Kinderdorf-Idee wurde.

Hermann Gmeiner schreibt über diese Zeit: "Meine Heimat, das Dorf, das Haus, die Familie, der Tod meiner Mutter und die Notbrüderschaft, die uns half, die Katastrophe zu bewältigen, sind nicht nur Tatsachen, die auf mich eingewirkt haben. Sie sind ein Teil meiner selbst, zu dem ich mich bekenne".

Noch vor seinem dreizehnten Lebensjahr erwachte in ihm der Wunsch zu studieren. Das Leben einer Bergbauernfamilie war in dieser wirtschaftlich schwierigen Zeit jedoch nur unter Aufbietung aller Kräfte, von Eltern und Kindern gemeinsam, zu meistern. An ein Studium war daher nicht zu denken. Im Jahre 1936 erhielt er über Vermittlung des Dorfgeistlichen ein Stipendium, so dass der nun 17-jährige Hermann Gmeiner im Herbst 1936 im Studierstädtchen Feldkirch sein Studium beginnen konnte. Obwohl er in die 2. Klasse eintreten durfte, war er doch 5 Jahre älter als seine Mitschüler, die ihm an Lebenserfahrung unterlegen waren, aber an Schulerfahrung manches voraus hatten.

Noch vor Beendigung seines Studiums wurde Hermann Gmeiner im zweiten Weltkrieg zur deutschen Wehrmacht einberufen. Er leistete durch vier Jahre hindurch an verschiedenen Kampfabschnitten der Ostfront Kriegsdienst und wurde mehrmals verwundet.
Nach Kriegsende legte er die Reifeprüfung ab, inskribierte an der Universität Innsbruck und studierte Medizin und Philosophie. Sein Ziel war es, Kinderarzt zu werden. Seine Freizeit verwendete er für die Mitarbeit in der Katholischen Jugend in Innsbruck, wurde Dekanats-Pfarrjugendführer und lernte da die Not der Nachkriegsjugend kennen. Er kam zur Überzeugung, dass alle Hilfe unvollständig bleibt, wenn ein Kind ohne Daheim, ohne Familie aufwachsen muss.

So reifte in ihm die SOS-Kinderdorf-Idee: der einfache Gedanke,  Kindern, die aus welchem Grund auch immer nicht bei ihren Eltern sein können, einen möglichst vollwertigen Ersatz für die verlorene Familie zu geben.

Die vier Prinzipien der SOS-Kinderdörfer

Hermann Gmeiner erkannte sehr bald, dass all den verwaisten Kindern vor allem die mütterliche Liebe fehlt. Treffend setzte er den Mängeln der damaligen Heimfürsorgeerziehung die vier Prinzipien seines Erneuerungsprogramms entgegen.


1. Die SOS-Kinderdorf-Mutter
Jedes verlassene Kind bekommt eine Mutter, die seine beständige Bezugsperson ist. Eine SOS-Mutter kennt dieselben Sorgen, Pflichten und Freuden wie jede andere Mutter auch. Sie ist aber zugleich das Familienoberhaupt und führt ihren Haushalt wirtschaftlich selbständig. Die SOS-Mutter gibt den ihr anvertrauten Kindern Liebe, Geborgenheit und Vertrauen - Dinge, die jedes Kind für eine gesunde Entwicklung braucht.

2. Die Geschwister
Eine SOS-Kinderdorffamilie setzt sich aus der SOS-Mutter und ca. 6 - 8 Kindern zusammen. Leibliche Geschwister werden nicht getrennt. Buben und Mädchen unterschiedlichen Alters wachsen zusammen auf.

3. Das Haus
Jede SOS-Familie bewohnt ihr eigenes Familienhaus, das für das Kind sein neues, bleibendes Daheim ist. Die Häuser der SOS-Kinderdörfer sind so entworfen und gestaltet, dass sich eine Familie mit mehreren Kindern darin wohlfühlen kann. Der soziale Mittelpunkt des Hauses ist der Wohn-Essraum, hier spielt sich das Familienleben ab. Die SOS-Mutter hat ihr eigenes Zimmer, die Kinder teilen sich meist zu dritt oder zu viert ein Zimmer.

4. Das Dorf
Das SOS-Kinderdorf umfasst in der Regel zehn bis zwanzig Familienhäuser. Die SOS-Kinderdörfer befinden sich meist in einer landschaftlich schönen Umgebung in der Nähe eines großen Ortes oder einer Stadt. Das SOS-Kinderdorf soll eine Brücke zur Umwelt bilden, die Bewohner ein lebendiger Bestandteil der jeweiligen Gemeinden werden. Die Kinder besuchen die Schulen und die Kirchen des Ortes, zu dem sie gehören. Der Dorfleiter betreut und regelt die gemeinsamen Angelegenheiten der Kinderdorffamilien, er ersetzt gleichsam den Vater. 

So ist es nicht verwunderlich, dass ein Bub aus einem Kinderdorf in einem Brief schreiben konnte: "Wir leben hier wie normale Leute". "Wie normale Leute" zu leben, hat Hermann Gmeiner, der Sohn unserer Heimatgemeinde Alberschwende, vielen elternlosen und verlassenen Kindern ermöglicht.

Es ist unschwer zu erkennen, dass Hermann Gmeiner die bäuerliche Großfamilie, wie sie in der damaligen Zeit bei uns die Regel war, als Vorbild diente, und dass sein persönliches Schicksal durch den frühen Tod seiner Mutter diese Idee reifen ließ.

Das Gründungsjahr 1949

Die Aufbaujahre 1949 bis 1953 waren für Hermann Gmeiner Jahre harter Arbeit, harter Lebenserfahrung, harter Rückschläge. Er selbst schreibt über diese Zeit: "Es war nur möglich, weil ich einfach den Glauben daran hatte und weil ich alles andere aufgab, um mich ganz auf dieses Werk zu konzentrieren. Ich gab mein Studium auf und meine sichere Zukunftsexistenz. Ich zog mich von der Jugendarbeit zurück und stellte meine Berufung als Dekanatsjugendführer zur Verfügung. Von meinen Studienkollegen ausgelacht, von seiten der Behörde als Phantast bezeichnet, begann ich meinen Kampf mit aller Welt und mit mir selber."

In einer Zeit in der noch Bombenruinen zu sehen waren und überall noch Not herrschte, bestand das Hauptproblem darin, die notwendigen Geldmittel aufzutreiben. Es war aussichtslos, von der öffentlichen Hand Geldmittel für dieses Vorhaben zu bekommen.
Hier bewährte sich Hermann Gmeiners Ideenreichtum, Organisationstalent und Zielstrebigkeit. Die Idee der Mitgliederwerbung, die von vielen als verrückt betrachtet wurde, stellte sich bald als Rezept für den Erfolg heraus. Er bat die Leute nur um einen Schilling monatlich, einen Betrag, der so gering ist, dass ihn fast jeder entbehren konnte; viele Mitglieder erbrachten jedoch stattliche Erträge.

Anfang 1949 gründete Hermann Gmeiner mit etlichen Mitgliedern die Societas Socialis, eine Gesellschaft junger Menschen, die sich um die Schaffung eines Jugendschutzes bemühen wollten.

Als das Vereinsvermögen die bescheidene Summe von rund 600 Schilling erreichte, suchte Hermann Gmeiner durch Anzeigen in Zeitungen ein Grundstück für das geplante Kinderdorf. Bürgermeister Koch der Stadt Imst, der selbst als Waisenkind aufgewachsen war, konnte für Hermann Gmeiners Pläne gewonnen werden.

Der Weihnachts- und Osterkartenverkauf brachte weitere Geldmittel, sodass die Finanzierung des ersten Hauses sichergestellt war, und im Dezember 1949 konnte die Firstfeier des ersten fertiggestellten Hauses gefeiert werden.

Dem Organisationstalent Hermann Gmeiners war es zu danken, dass durch den raschen Zuwachs an unterstützenden Mitgliedern, sowie durch verschiedene Aktionen wie Weihnachts- und Osterkartenaktion, Briefmarkensammlungen, Kinderdorflotterie, Patenschaften, u. a. immer mehr Geldmittel in die Kasse des SOS-Kinderdorf-Vereines flossen, sodass es im Jahr 1954 in Imst in Tirol bereits 15 Kinderdorffamilien mit insgesamt 140 Kindern gab, die in 15 schönen Häusern eine neue Mutter und ein neues Heim gefunden hatten.

Der Durchbruch war gelungen. Viele namhafte Persönlichkeiten des In- und Auslandes besuchten das Imster Kinderdorf, um zu sehen, welch großes Werk hilfreicher Fürsorge und Nächstenliebe hier geschaffen wurde.

Weltweite Anerkennung

Was in Imst begonnen wurde, fand seine Fortsetzung in Lienz und Altmünster und im Jahre 1966 bekam als letztes österreichisches Bundesland auch Vorarlberg in Dornbirn ein SOS-Kinderdorf. Auch auf Hermann Gmeiner traf damals in gewisser Weise das Zitat vom Propheten zu, der im eigenen Land nicht soviel gilt.

1963, nach dem Koreakrieg, begann die SOS-Kinderdorf-Arbeit in den Entwicklungsländern mit der Errichtung des SOS-Kinderdorfes in Daegu/Korea. Auch in vielen anderen Ländern der Dritten Welt stieß die SOS-Kinderdorf-Idee auf größtes Interesse. Hermann Gmeiner suchte Wege, den Bau von SOS-Kinderdörfern in Asien, Lateinamerika und Afrika zu ermöglichen. In Deutschland, Dänemark, Norwegen, Schweden, England, der Schweiz, in Kanada und den USA wurden SOS-Kinderdorf-Vereinigungen gegründet. Ihre Aufgabe ist es, die erforderlichen Mittel für die Errichtung und den Unterhalt von SOS-Kinderdörfern in Entwicklungsländern aufzubringen. Der Dachverband SOS-Kinderdorf international, dessen Präsident Hermann Gmeiner war, koordiniert die weltweite Arbeit seit dem Jahre 1964.
Die Idee des SOS-Kinderdorfes hat die Barrieren verschiedener politischer Ideologien durchbrochen. Das Ziel Hermann Gmeiners war es, in jedem Land der Erde ein SOS-Kinderdorf zu bauen.

Schon im Jahre 1958 wurde Hermann Gmeiner vom bekannten Urwalddoktor Albert Schweitzer für die Verleihung des Friedensnobelpreises vorgeschlagen, und sicherlich hat kein Preisträger seither eine Friedenstat größerer Tragweite aufgebaut als der Vater der SOS-Kinderdörfer.

Trotz insgesamt 146 nationaler und internationaler Ehrungen und Auszeichnungen blieb der Weltenbürger Hermann Gmeiner bescheiden und eng mit seiner Heimatgemeinde Alberschwende verbunden. Einige seiner Aussagen anlässlich der Jungbürgerfeier im Jahre 1982 zeigen sein tiefes Heimatbewusstsein. Er appelierte damals an die Jungbürger:

"Wie reich seid ihr, die Ihr eine Heimat habt, ein Dorf und eine Familie, in die ihr verwurzelt seid. Nur wer eine Heimat hat, kann anderen Heimat geben. Meine Aufgabe ist es, Kindern in aller Welt, die keine Heimat haben, Heimat zu geben, damit diese wieder Heimat weitergeben können.

Reich sein allein bedeutet nicht glücklich sein (arm sein auch nicht). Glücklich ist nur, wer sich in einer Familie geborgen fühlt und für andere da sein kann. Glaubt an die Heimat! Bejaht euch selbst! Nur wer sich selbst bejaht, ist in der Lage, andere zu bejahen.

Erfolg haben nur jene, die mehr tun als sie tun müssten! Nur wenn alle mehr tun als sie müssten, kann das Böse aus der Welt geschaffen werden."

Hermann Gmeiner wurde am 3. Mai 1986 von über 3000 Trauergästen im SOS-Kinderdorf Imst zu seiner letzten Ruhestätte begleitet. 

Das Geburtshaus von Hermann Gmeiner in Tannen ist mit einer schlichten Gedenktafel versehen. Das Haus ist jedoch bewohnt und für Besucher nicht zugänglich.

Hermann Gmeiner Geburtshaus

Weitere Fotos von Hermann Gmeiner finden Sie hier.

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Der obige Text stammt zu großen Teilen aus dem 
Heimatbuch Alberschwende.